2006 war ein großartiges Jahr: Bei der „Heim-WM“ schrieb die DFB-Elf das Sommermärchen, die Maskenmänner von Lordi gewannen mit „Hard Rock Hallelujah“ den Eurovision Song Contest 2006. Ach ja, und in Bonn gründeten die drei Studenten Inga, Marco und Nic einen Saftladen, der heute nicht nur 23 Mitarbeiter zählt, sondern den Smoothie-Markt in Deutschland revolutioniert hat und wie kein anderer für diese Produkte steht. Die Rede ist von true fruits. In diesem Jahr wird das 10-jährige Jubiläum gefeiert – natürlich mit allem, was so braucht: u.a. einer goldenen Limited Edition und einem Firmenausflug für ein Wochenende. Grund genug für about-drinks, mit den drei Gründern über die vergangenen zehn Jahre zu sprechen. Ganz persönlich und ganz ehrlich – getreu dem Motto von true fruits: „100% frucht – no tricks“.
Im Interview erzählen Inga Koster, Marco Knauf und Nicolas Lecloux über den Anfang der Marke, die berühmten Flaschentexte, zwischenzeitliche Shitstorms und die Pläne im Jubiläumsjahr.
Erst einmal alles Gute zum 10ten Geburtstag. Die Marke true fruits ist mittlerweile in Deutschland zum Smoothie-Inbegriff geworden. Aber was genau macht die Marke denn eigentlich aus?
Inga Koster: Als wir gerade aus Schottland zurückkamen, lange bevor wir ein Rezept hatten und lange bevor wir gegründet hatten, war uns klar: „Wir wollen das begehrenswerteste nichtalkoholische Lifestyleprodukt auf dem Markt haben.“ Und das ist unser Antrieb bis heute noch. Operativ ist es so, dass wir von Anfang an gesagt haben: Wir verkaufen kein einfaches Lebensmittel, sondern ein Luxusprodukt.
Nicolas Lecloux: Wir haben uns von Beginn an die eine Frage gestellt: Wozu dient Marketing? Bekanntheit oder Begehrlichkeit? Und was wollen wir mit true fruits erreichen? Wollen wir bekannt oder begehrlich sein? Es ist wichtig, diese Frage zu Beginn zu stellen. Wenn man erst mal der Skoda ist, dann ist es schwierig, der Porsche zu werden. Deswegen machen wir zum Beispiel auch kein Sponsoring. Es muss den Leuten wehtun, wenn sie das Produkt kaufen. Begehrlichkeit erzeugt man nur, wenn es keiner umsonst bekommt, sondern jeder dafür zahlen muss.
Marco Knauf: Ich hab mich damals auch an Personen orientiert. Wie ist das mit Leuten, die erfolgreich sind? Die dauerhaft erfolgreich und bekannt sind? Beispielsweise eine Band wie Metallica oder Die Ärzte, die haben sich ihren Erfolg über Jahre aufgebaut und profitieren von diesem Fundament enorm. Ob es mal ein Jahr nicht gut läuft oder man auch mal gar keine Platte herausbringt, ist egal. Man hat sich einen Ruf erarbeitet, der in allen Phasen Bestand hat. Und sie haben nicht geschaut, welche Musik gerade erfolgreich ist, sondern sie haben immer das gemacht, was sie für richtig halten und hinter dem sie voll stehen, und sich nicht darum gekümmert, was andere vielleicht darüber denken. Und sie spielen das, was sie können. Sie verbiegen sich also nicht für ihre Zielgruppe und sind auch unbequem.
Ich bin privat genauso, ich mag Leute, die sich nicht verstellen und sich so geben, wie sie wirklich sind. So musst du auch als Marke sein, dich nicht verstellen, bleib du selbst, bleib authentisch und mach die Dinge, die du als Person dahinter gut findest. Man sollte nicht überlegen: Wie reagieren die Leute auf dich? Sondern sich selbst treu bleiben. Und so sind wir bis heute. Eine Marke muss über die Zeit unantastbar werden. Vertrauen entwickelt sich über Jahre, das ist bei Freundschaften auch so. Letztendlich führt diese Intuition dazu, dass du in der Praxis das umsetzt, was deine persönlichen Werte dir sagen. Wir haben für uns erkannt, dass ein solcher Weg von Anfang an eingeschlagen werden muss und er sehr lang sein kann. Heute sind wir froh, dass wir diesen Weg eingeschlagen haben. Jetzt hat die Marke diese Wertigkeit und keiner stellt das mehr in Frage.
Hand aufs Herz: Gab es dennoch anfangs irgendwann einmal einen Moment, an dem Sie das ganze Projekt angezweifelt haben?
Inga Koster: Steve Jobs hat gesagt: „Diejenige, die verrückt genug sind zu denken, dass sie die Welt verändern könnten, sind diejenigen, die es tun.“ Zugegeben, die Welt haben wir nicht verändert. Aber wir haben von Anfang an daran geglaubt, dass unsere Idee, Smoothies in Deutschland auf den Markt zu bringen, ein Erfolg sein wird. Aber klar, gerade am Anfang haben wir uns wie Feuerwehrmänner gefühlt und mussten an jeder Ecke Brände löschen. Und jede Entscheidung, die man in der Anfangszeit trifft, kann das Ding komplett gegen die Wand fahren. Das war schon ziemlich belastend – aber wir haben nie an der Idee gezweifelt.
Was war das für ein Gefühl, als Sie Ihren ersten eigenen Smoothie in den Händen hielten?
Marco Knauf: Als ich das erste Mal in die Produktion kam und sah, wie die Flaschen ratterten, und das alles nur passierte, weil wir es wollten – das war ein unfassbar geiles Gefühl.
Sie gehen seitdem Ihren eigenen Weg – auch wenn es mal Kritik gibt. Worum ging es da z.B. bei der „Blindverkostung“-Edition des Smoothie white im vergangenen Jahr und wie haben Sie auf die Kritiker reagiert?
Nicolas Lecloux: Hintergrund war unsere limited edition no. 6, die wir im April 2015 auf den Markt brachten. In der Flasche steckte unser Smoothie white. Da die Fruchtkombination mit Cupuacu, Vanille und Banane keine „Naturschönheit“ ist (der Smoothie sieht eher aus wie Frittenfett) wurde er nicht so oft gekauft, wie unsere anderen Sorten – obwohl er geschmacklich bei Blindverkostungen immer weit vorne liegt. Da wir aber keine Farbstoffe benutzen wollen (niemals!), um sie optisch schöner zu machen, steckten wir ihn in eine schwarze, nicht durchsichtige Flasche. So konnten sich die Leute nur auf den Geschmack des Smoothies konzentrieren.
Ein Text auf der Rückseite erklärte das Vorgehen. Bedient wurde sich hier an einem Beispiel, das jeder kennt: „Hast Du schon mal einer hässlichen Freundin, die total lieb ist, ein Date besorgt?“ Und schon war er da: Unser erster Shitstorm, vor allem hervorgerufen durch eine Gruppe, die sich „vegane Feministinnen“ nannte, die prompt zum Boykott aufriefen und laut Sexismus und Lookismus schrien (ja, auch wir musste erst mal googlen, was Lookismus ist). Wir blieben aber standhaft, ließen uns unseren Humor nicht verbieten und zeigten eine resolute Haltung beim Community Management. Wir konnten mit den Konsequenzen (Kritiker kauften uns nicht mehr und „entlikten“ uns) wunderbar leben. Zum krönenden Abschluss gab es dann passend zum 1. April ein Video, welches als Nicht-Entschuldigungsvideo (#sorrynotsorry) gedacht war. Und in eben diesem erkläre ich, dass wir keine Sexisten sind während ein braver männlicher Mitarbeiter mit runtergelassener Hose ins Video läuft und mir einen Kaffee bringt. Am Ende sorgte das Shitstörmchen für noch mehr treue Fans von true fruits, jede Menge PR und eine Nominierung beim Digital Communications Award (internationaler Kommunikationsaward).
Die Flaschentexte sind – neben dem Smoothie selbst – für viele ein Highlight. Woher kam die Idee zu den Texten. Oder besser gefragt: Woher kommen die Ideen zu den Themen der Texte? Welche Texte waren/sind Ihre persönlichen Highlights?
Marco Knauf: Bei der Gestaltung des Flaschendesigns wollen wir alles, nur keine grellbunte, reißerische Verpackung mit hohlen Werbeversprechen, die nach Aufmerksamkeit schreit. Trotzdem erlauben wir uns auf den Rückseiten allerlei Schabernack. Wir finden die Rückseiten von anderen Lebensmitteln nämlich oft langweilig. Also nutzen wir den Platz, der durch den Verzicht auf Konservierungsstoffe, Zuckerzusätze und Co. entsteht, für allerlei anderes Denkwürdiges (egal ob sinnvoll oder sinnfrei).
Nicolas Lecloux: Und nein, wir nehmen keine Drogen, wenn wir Flaschentexte schreiben. Arbeitsrechtliche Bestimmungen und so. Ein Haufen von drei Mitarbeitern, darunter auch ich, versammelt sich alle drei Wochen und klamüsert sich dabei alles Erdenkliche zusammen. Wissenswertes zu unseren Inhalten, Dinge, die einen im Alltag beschäftigen, Gedichte, eben das, was uns in diesem Augenblick in den Sinn kommt. Manchmal hat das auch nichts mehr mit unserem Produkt zu tun. Aber das ist uns dann egal, wenn es uns amüsiert. Unser wohl berühmtester Text ist der zur „Einhornkotze“. Unter dem von uns erfundenen Hashtag #Einhornkotze gibt es bei Instagram bereits über 16.000 Beiträge. Auch noch zwei Jahre danach nennen die Leute unseren Smoothie pink „Einhornkotze“. Lustigerweise wurde der Text wohl NICHT genau gelesen, denn wir schreiben darin, dass es sich bei dieser Sorte eben nicht um Einhornkotze handelt, da Einhörner in Regenbogenfarben kotzen…
PS: Wir haben die besten Flaschentexte aus 10 Jahren rausgesucht und noch mal auf die Flasche gebracht – die Flaschen trudeln im Juli/August in die Supermärkte ein.
Wie wird das 10-jährige Jubiläum gefeiert? Gibt es Events, Aktionen etc.?
Inga Koster: Gebührend natürlich. Nein im Ernst: Wir haben anlässlich des Jubiläums eine neue limited edition auf den Markt gebracht – komplett in Gold. Die Flasche wird es, wie der Name schon sagt, nur für kurze Zeit geben. In der Pulle steckt unser „dienstältester“ Smoothie – der Smoothie yellow.
Neben der limited edition haben wir aber noch andere Maßnahmen zum zehnten Geburtstag geplant, die wir hier noch nicht erzählen können. Nur so viel: Man muss wirklich „Eier haben“, um die Aktion durchzuziehen. #spoiler
Never change a winning Smoothie – dürfen sich die Konsumenten dennoch bereits jetzt auf Neuigkeiten oder grundlegende positive Veränderungen freuen?
Nicolas Lecloux: Im Juli bringen wir als eines der ersten Anbieter in Deutschland Säfte mit Chiasamen ins Kühlregal (about drinks berichtete). Wir haben nach wie vor Lust, die besten Smoothies zu machen, sind immer noch wild auf hervorragende und außergewöhnliche Früchte bzw. geiles Grünzeug. Sprich: Wir machen unsere Sache immer noch mit Leidenschaft. So lange wir das so machen, wird es mit uns sicher nicht langweilig. Und wenn doch, dann wissen wir ja, wie man einen Shitstorm provoziert. Kleiner Spaß…
Fragenhagel:
Nach 10 Jahren: Immer noch Start-up oder jetzt endlich Big Player?
Inga Koster: Start-up.
Morgens im Büro: Kaffee oder Smoothie?
Marco Knauf: Kaffee.
Wie viele Smoothies gehen schätzungsweise pro Tag in der Firmenzentrale drauf?
Nicolas Lecloux: Wir haben eine Mitarbeiter-Umfrage gemacht: Es sind im Durchschnitt 13 Smoothies. Die beliebteste Sorte ist übrigens der Smoothies white.
Welches Obst/Gemüse wird nie in einem true fruits Smoothie auftauchen?
Nicolas Lecloux: Kartoffel?
Und was muss unbedingt irgendwann mal rein?
Marco Knauf: Es gibt eine Wunderbeere, welche die Geschmacksnerven umpolt, sobald man sie isst. So wird dann sauer zu süß. Es wäre eine echte Herausforderung, diese Frucht mal in einen Smoothies zu mixen.
Die beste Drink-Kreation mit true fruits?
Inga Koster: Gibt es nicht – am besten schmecken unsere Smoothies kalt und pur.
Smoothie als Katerfrühstück – ja oder nein?
Nicolas Lecloux: Naja, jeder Jeck is anders – ich trinke bei einem Kater gern mal einen Smoothie orange. Manche brauchen aber gegen den Suffhunger eher etwas Herzhaftes – und gegen einen Burger können unsere Smoothies dann nicht ankommen.
Welcher Person würden Sie gerne mal eines Ihrer Produkte in die Hand drücken?
Nicolas Lecloux: Dan Bilzerian vielleicht. Ich würde gerne wissen, was er damit macht…
Und wem würden Sie es aktuell sofort aus selbiger heraus reißen?
Marco Knauf: Braunen Hohlköpfen.
Fünf Worte über Ihr Team?
Nicolas Lecloux: Lustig, fleißig, authentisch, begeisterungsfähig & ein bisschen pervers.
Ihr größtes selbstgemachtes Geschenk zum Jubiläum?
Nicolas Lecloux: Statt uns selbst zu feiern und uns teure Geschenke zu machen, feiern wir unser Jubiläum lieber mit denen, die dazu beigetragen haben, true fruits zu dem zu machen, was es heute ist: unsere Mitarbeiter. Deswegen haben wir mit allen 23 Mitarbeitern Anfang Juni ein Wochenendausflug gemacht.
Die drei größten Wünsche für die nächsten 10 Jahre?
Inga Koster: Wir wünschen uns, dass wir …
1. … immer der Saftladen aus Bonn-Beuel bleiben.
2. … Chancen nutzen, wie sie kommen.
3. … den Spaß an der Sache nicht verlieren.
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Wir bedanken uns bei Inga Koster, Marco Knauf und Nicolas Lecloux für das offene und sehr persönliche Interview und wünschen true fruits für die nächsten zehn Jahre und darüber hinaus weiterhin viel Erfolg! Happy Birthday, Saftladen!